Franz Schubert: Schwanengesang – 9 Lieder (Dietrich Fischer-Dieskau, Gerald Moore, 1969/70)

Posted: May 21, 2017 in Classical Music, Franz Schubert: Schwanengesang – 9 Lieder (Dietrich Fischer-Dieskau, Gerald Moore, 1969/70), Opera
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Kammermusikkammer

Dietrich Fischer-Dieskaus Zusammenarbeit mit dem britischen Klavierbegleiter Gerald Moore erstreckte sich über mehr als zwei Jahrzehnte. Sie begann 1951 in den Londoner Abbey-Road-Studios, wo der Produzent Walter Legge die beiden Musiker zu gemeinsamen Aufnahmen zusammengeführt hatte, und dauerte bis in die frühen siebziger Jahre, als die auf dieser CD festgehaltenen Interpretationen entstanden. Es war eine Zeitspanne, in der die westeuropäische Gesellschaft eine Reihe tiefgreifender Wandlungen durchlief, von den schweren Jahren der Nachkriegszeit über das deutsche »Wirtschaftswunder« bis hin zur Studentenbewegung und dem Ende des Vietnamkriegs.

In den frühen siebziger Jahren waren Fischer-Dieskau und Moore Symbole einer eigentlich schon vergangenen Ära. In seiner Autobiografie »Nachklang« äußert sich Fischer-Dieskau mit einer gewissen Ambivalenz zu den sozialen Krisen der späten sechziger Jahre, wenn er schreibt, die Studentenbewegung habe eine »tiefe Depression« ausgelöst, »weil nicht abzusehen war, wohin die anscheinende Willkür führen sollte«. Die Kunst des Liedgesangs, als deren herausragender Exponent Fischer-Dieskau galt, stand in krassem Gegensatz zur Welt des Rock ‘n’ Roll, zumal sie nicht nur Innerlichkeit und Kontemplation symbolisierte, sondern auch einen Glauben an Distinktion und Qualität, der schon bald von den Kräften des Crossover und der Postmoderne attackiert werden sollte.

Zwischen 1966 und 1972 entstand in Berlin Fischer-Dieskaus Einspielung aller 463 Schubert-Lieder für Männerstimme – das bis dahin wohl ambitionierteste Aufnahmeprojekt auf dem Gebiet des Sologesangs. Es war dies die krönende Leistung einer musikalischen Partnerschaft, die bereits mit allen nur denkbaren Auszeichnungen und Preisen gewürdigt worden war. Nachdem 1969 die ersten 172 Lieder auf zwölf LPs erschienen waren, entstand im März 1972 die vorliegende Aufnahme des Schwanengesangs. Zusammen mit den großen Liedzyklen Die schöne Müllerin und Winterreise erschien sie in der dritten LP-Box, dem Höhepunkt dieses monumentalen Unternehmens.

Die Aufnahme des Schwanengesangs dokumentiert die Zusammenarbeit von Fischer-Dieskau und Moore in ihrer Reife. Von Beginn an verkörperte diese Beziehung zwischen Sänger und Begleiter eine seltene Synergie zweier musikalischer Gestalter. Diese offenbarte sich in einem gemeinsamen Gefühl für Rhythmus und in übereinstimmenden musikalischen Zielen, woraus sich die weiteren Elemente ihrer Interpretationen wie von selbst ergaben. Da sich die Künstler ohne viele Worte verständigten, konnten die Aufnahmesitzungen oft relativ schnell abgeschlossen werden. Zudem nahm Fischer-Dieskau Lieder am liebsten vollständig und ohne Schnitte auf, mit nicht mehr Wiederholungen als absolut notwenig.

Die beiden früheren Schwanengesang-Aufnahmen des Duos Fischer-Dieskau/Moore stammen von 1951 bis 1958 und 1961. Sie bestechen nicht nur durch technische Vollkommenheit, sondern auch durch eine emotionale Energie, die weniger wohlwollende Kritiker zu dem Vorwurf veranlasst hat, Fischer-Dieskau dramatisiere die Musik zu sehr, übertreibe dynamische Kontraste und versehe den Text mit einem Übermaß an Nuancierungen – zu Lasten der musikalischen Gesamtform. Solche Kritik wird Fischer-Dieskau als ungerecht empfunden haben, da er selbst ein unermüdlicher Anwalt für die Einheit von musikalischer Linie und Struktur war. In einem Artikel für die Österreichische Musikzeitschrift reagierte er mit folgendem Beispiel aus dem Schwanengesang: »Ich hasse es, wenn dem Liedersänger beim ‚Doppelgänger‘ Opernnähe angekreidet wird, nur weil er Schuberts Verlangen nach dreifachem Fortissimo bei den Höhepunkten gerecht wird.«

Wie immer man zu dieser noch nicht abgeschlossenen Debatte steht – es sei nur auf die ÄuBerung eines heutigen Schubert-Interpreten verwiesen, es gebe mehr Dramatik im »Doppelgänger« als im gesamten Schaffen Richard Wagners! -, so ist doch unbestreitbar, dass die Schwanengesang-Aufnahme von 1972 nicht die Spur von überzogener Theatralik enthält. Fischer-Dieskaus Lesart basiert auf totaler Konzentration und Ökonomie der Mittel. Mit feinfühliger Phrasierung und beherrschtem »Espressivo« wandelt er souverän auf jenem schmalen Grat zwischen romantischem Fabulieren und nihilistischer Verzweiflung, der so oft die Lieder Schuberts prägt.

Der Schwanengesang ist wahrscheinlich nicht als Zyklus im engeren Sinn konzipiert, sondern eher eine bestechend vielfältige Gruppe von Liedern. Sie alle entstanden in Schuberts letztem Lebensjahr, basierend auf Gedichten von drei verschiedenen Dichtern. Das Spektrum reicht vom berühmten »Ständchen« (Rel1stab) – eine Art Visitenkarte vieler berühmter Tenöre – bis zur bezaubernden Frische der »Taubenpost« (Seidl) und den überaus originellen Klanggemälden und atmosphärischen Effekten in Heine-Liedern wie »Der Atlas«, »Die Stadt« und »Am Meer«. Darüber hinaus sind auf dieser CD weitere berühmte Lieder zu hören, darunter »Die Forelle«, »Heidenröslein«, »An die Musik« und der unverwüstliche »Musensohn« sowie bisher unveröffentlichte Aufnahmen der Lieder »Die Erde« und »Vollendung«, entstanden im April 1972. Alle diese Interpretationen zeigen einen Sänger, der die musikalische Linie durch Disziplin und Erfahrenheit beherrscht und der sich mit besonderer Aufmerksamkeit der komplizierten Wechselwirkung von Musik und Sprache widmet. Nur selten treten diese Qualitäten so offen zutage wie in diesen Aufnahmen. Nicht weniger delikat ausgestaltet erscheinen Moores Begleitungen, in denen nur ganz selten die musikalische Stimmigkeit dem kurzfristigen Effekt geopfert wird. Und auch seine gelegentlichen Konzessionen an den flüchtigen Moment – etwa in der »Taubenpost« oder im »Heidenröslein« – steigern nur den Charme und die Individualität seines Spiels.

Diese Aufnahmen machen erlebbar, was Fischer-Dieskau und Moore zu ihrer Zeit verkörperten: nämlich die idealen musikalischen Partner – hochkultiviert und doch leidenschaftlich, gleichberechtigt als Musiker und doch individuell als Künstler. Ihre Interpretationen der großen Schubert-Lieder vermitteln eindrücklich das gesamte emotionale Spektrum der Frühromantik. Bis zur Perfektion gestaltet das Duo jene fragile Mischung aus lyrischem Leiden einerseits und einer immer wieder in Verzweiflung umschlagenden Fröhlichkeit andererseits. Und bei all dem bleiben stets jene Noblesse und Souveränität bestehen, die den Unterschied zwischen bloß guten und wirklich großen Interpretationen markieren.

Quelle: John Stopford: Eine ideale musikalische Partnerschaft (Übersetzung: Tobias Möller, Syrinx), im Booklet

TRACKLIST

Franz Schubert
(1797-1828)


SCHWANENGESANG D 957 
Le Chant du cygne 

(01) 1. Liebesbotschaft               [2'43] 
        Ludwig Rellstab

(02) 2. Kriegers Ahnung               [4'30] 
        Ludwig Rellstab

(03) 3. Frühlingssehnsucht            [3'14] 
        Ludwig Rellstab

(04) 4. Ständchen                     [3'50] 
        Ludwig Rellstab

(05) 5. Aufenthalt                    [3'19] 
        Ludwig Rellstab

(06) 6. In der Ferne                  [5'30] 
        Ludwig Rellstab

(07) 7. Abschied                      [4'20] 
        Ludwig Rellstab

(08) 8. Der Atlas                     [2'11] 
        Heinrich Heine

(09) 9. Ihr Bild                      [2'51] 
        Heinrich Heine

(10) 10. Das Fischermädchen           [2'00] 
         Heinrich Heine

(11) 11. Die Stadt                    [2'54] 
         Heinrich Heine

(12) 12. Am Meer                      [4'31] 
         Heinrich Heine

(13) 13. Der Doppelgänger             [4'23]
         Heinrich Heine

(14) 14. Die Taubenpost               [3'32] 
         Johann Gabriel Seidl


9 LIEDER

(15) Vollendung D 579A (D 989A)*      [3'26]   
     Friedrich von Matthisson
     
(16) Die Erde D 579B (D 989)*         [2'23]  
     Friedrich von Matthisson  

(17) An die Musik D 547               [2'33]  
     Franz von Schober

(18) An Silvia D 891                  [2'41]   
     William Shakespeare     

(19) Heidenröslein D 257              [1'42]   
     Johann Wolfgang von Goethe     

(20) Im Abendrot D 799                [4'09] 
     Karl Lappe     

(21) Der Musensohn D 764              [2'04]   
     Johann Wolfgang von Goethe     

(22) Die Forelle D 550                [1'57]   
     Christian Friedrich Daniel Schubart     

(23) Der Tod und das Mädchen D 531    [2'29]  
    Matthias Claudius     

                              Total: [73'12]

DIETRICH FISCHER-DIESKAU, Baritone   
GERALD MOORE, Piano     

* First Release     


Recording: Berlin, Ufa-Ton-Studio, December 1966 - February 1968 [(19),(23)],
February/March 1969 [(17),(18),(20)-(22)], 7 + 9 March 1972 [(01)-(14)], 
6 April 1972 [(15)-(16)]

Executive Producers: Dr. Ellen Hickmann [(01)-(16)], Otto Gerdes [(17)-(23)]
Recording Producers: Cord Garben [(01)-(14)], Volker Martin [(15)-(16)], Rainer Brock / Hans Ritter [(17)-(23)]  
Balance Engineers (Tonmeister): Hans-Peter Schweigmann [(01)-(16)], Hans-Peter Schweigmann / Harald Baudis [(17)-(23)] 
Recording Engineers: Jobst Eberhardt [(01)-(14)], Helmut Najda [(15)-(16)], Wolfgang Werner / Helmut Najda [(17)-(23)] 

Fischer-Dieskau Edition 75
(P) 1969/1970/1972  
(P) 2000 (15)-(16)  
(C) 2000

Aus Spaniens Goldener Zeit

San Juan de la Cruz (1542-1591).
Bild von Francisco de Zurbarán, 1656. [Quelle]
SAN JUAN DE LA CRUZ STEFAN GEORGE
En una noche escura In einer dunklen nacht
En una noche escura
Con ansias en amores inflamada,
¡O dichosa ventura!
Salí sin ser notada,
Estando ya mi casa sosegada.

A escuras y segura
Por la secreta escala disfrazada
¡O dichosa ventura!
¡A escuras y en celada
Estando ya mi casa sosegada!

En la noche dichosa
En secreto que nadie me veia,
Ni yo miraba cosa,
Sin otra luz ni guia
Sino la que en el corazon ardia.

Aquesta me guiaba
Mas cierto que la luz de medio dia
A donde me esperaba
Quien yo en me sabia
En parte donde nadie parecia.

O noche que guiaste
O noche amable mas que el alborada,
O noche que juntaste
Amado con amada
Amada en el amado trasformada!

En mi pecho florido,
Que entero, para él solo se guardaba,
Allí quedó dormido,
Y yo le regalaba,
Y el ventalle de cedros aire daba.

El aire del almena
Cuando ya sus cabellos esparcia
Con su mano serena,
En mi cuello heria,
Y todos mis sentidos suspendia.

Quedéme y olvidéme,
El rostro recliné sobre el amado,
Cesó todo y dejéme,
Dejando mi cuidado
Entre las azucenas olvidado.
In einer dunklen nacht
Voll liebes flammen und voll bangem beben
o glückliches geschick
Enteilt ich unbewacht
Da schon mein haus zur ruhe sich begeben.

Im dunkel sicher schritt
Ich die geheime treppe in verkleidung
o glückliches geschick
Im dunkel und verhüllt
Da schon mein haus zur ruhe sich begeben.

In der beglückten nacht
Geheim wo keiner mich erkannte
Noch ich ein ding erspäht
Kein leiter und kein licht
Nur das was innen mir im herzen brannte.

Dorthin entführt' es mich
So sicher wie durch mittagliche helle
Dorthin wo er mein harrte
Den ich am orte wußte
Wo niemand anders konnte sein.

O nacht die du mich führtest
O nacht mir holder als die morgenröte
O nacht die du vereintest
Den freund mit der geliebten
Den freund in die geliebte eingegangen.

An meiner blumigen brust
Die ich für ihn allein mir rein bewahrte
Da blieb er schlummernd liegen
Und ich liebkoste ihn
Indem der zedernfächer kühlung wehte.

Als schon der dämmerung luft
In seinen haaren spielte
Faßte er mich am hals
Mit der erlauchten hand
Und alle meine sinne standen still.

So blieb ich und vergaß mich
Das antlitz zum geliebten neigend
Die Welt schwand. Ich versank
Und meine sorgen sanken
Inmitten der lilien begraben.
In einer dunklen Nacht, mit Ängsten in Liebe entbrannt – oh glückliches Geschick! -, ging ich hinaus, ohne bemerkt zu werden, als mein Haus schon im Schlafe lag.

Im Dunkeln und sicher, über die geheime Treppe, verkleidet – oh glückliches Geschick! -, im Dunkeln, in Verhüllung, als mein Haus schon im Schlafe lag.

In der glücklichen Nacht, im Geheimen, wo niemand mich sah und auch ich nichts sah, ohne Führer und anderes Licht, als das, was in dem Herzen brannte.

Jenes führte mich sicherer als das Licht des Mittags, dorthin, wo mich der erwartete, den ich wohl mir wußte am Ort, wo niemand (sonst) erschien.

O Nacht, die du führtest, o Nacht, liebenswürdiger als der Tagesanbruch, o Nacht, die du verbandest Geliebten mit Geliebter, Liebenden mit Liebender, Geliebte in den Geliebten verwandelt.

An meiner erblühten Brust, die für ihn ganz allein sich bewahrte, dort blieb er schlafend, und ich beschenkte ihn, und der Fächer der Zedern gab Luft.

Die Luft von der Zinne, als sie schon seine Haare durchwehte mit ihrer heiteren Hand, berührte mich an meinem Hals, und alle meine Gefiihle standen still.

Ich blieb (so) und vergaß mich; das Antlitz neigte ich über den Geliebten, alles schwand, und ich gab mich hin, hingebend meine Sorgen, zwischen den Lilien vergessen.

Der gekreuzigte Christus. Bild von
Diego Velázquez, 1632, Prado Museum, Madrid.
ANONYM KARL VOSSLER
EL CRISTO CRUCIFICADO AN DEN GEKREUZIGTEN
No me mueve, mi Dios, para quererte,
el cielo que me tienes prometido,
ni me mueve el infierno tan temido
para dejar por eso de ofenderte.

Tú me mueves, Señor; muéveme el verte
clavado en una cruz y escarnecido;
muéveme ver tu cuerpo tan herido;
muévenme tus afrentas y tu muerte.

Muéveme, al fin, tu amor, y en tal manera,
que aunque no hubiera cielo, yo te amara,
y aunque no hubiera infierno, te temiera.

No me tienes que dar porque te quiera;
pues aúnque lo que espero no esperara,
lo mismo que te quiero te quisiera.
Wer flößt mir, Herr, zu dir die Liebe ein?
Nicht Hoffnung auf verheißne Seligkeit.
Was hindert mich zu tun, das dir zu leid
sein könnte? Nicht die Angst vor Höllenpein.

Du selbst, mein Gott, ergreifst mich, du allein.
Weil man dich geißelt, kreuzigt und bespeit
und deine Wunden und die Niedrigkeit
und deinen Tod ich seh, drum bin ich dein.

An deiner Lieb wird mir die meine klar:
ich liebte dich auch ohne Himmelreich
und fürchtete dich ohne Höll fürwahr.

Und reichtest du mir keine Gabe dar,
und hofft' ich nichts für mich, es blieb sich gleich,
die Liebe wäre, wie sie ist und war.
Weder bewegt mich, mein Gott, dich zu lieben, der Himmel, den du mir versprochen hast, noch bewegt mich die so gefürchtete Hölle, deswegen abzulassen, dich zu verletzen.

Du bewegst mich, o Herr; es bewegt mich, dich zu sehen, genagelt an ein Kreuz und verhöhnt, es bewegt mich, deinen so verletzten Körper zu sehen; es bewegen mich die Beschimpfungen (die du erleiden mußtest) und dein Tod.

Es bewegt mich schließlich deine Liebe in solcher Weise, daß ich auch wenn es keinen Himmel gäbe – dich liebte, und gäbe es auch keine Hölle, dich fürchtete.

Nichts mußt du mir geben, damit ich dich liebe; denn auch wenn ich das, was ich erhoffe, nicht erhoffte, liebte ich dich in gleicher Weise, wie ich dich liebe.

Miguel de Cervantes y Saavedra (1547-1616).
Zugeschrieben Juan de Jáuregui. [Quelle]
MIGUEL DE CERVANTES SAAVEDRA AUGUST WILHELM SCHLEGEL
Afuera el fuego Weg mit dem Feu’r
Afuera el fuego, el lazo, el hielo y flecha
De amor que abrasa, aprieta, enfria y hiere,
Que tal llama mi alma no la quiere,
Ni queda de tal ñudo satisfecha.

Consuma, ciña, hiele, mate, estrecha
Tenga otra voluntad cuanto quisiere,
Que por dardo, ó por nieve, ó red no espere
Tener la mia en su calor deshecha.

Su fuego enfriará mi casto intento,
El ñudo romperé por fuerza ó arte,
La nieve deshará mi ardiente celo,

La flecha embotará mi pensamiento:
Y así no temeré en segura parte
De amor el fuego, el lazo, el dardo, el hielo.
Weg mit dem Feu'r, dem Pfeil, dem Frost, der Schlinge
Amors, der brennt, trifft, kältet und verstricket;
Nicht solcher Flamme mein Gemüt sich schicket,
Nicht solche Bande lähmen ihm die Schwinge.

Er zehr', erleg', erstarre, fessle, zwinge
Den Willen, der auf seine Winke blicket,
Nur daß Pfeil, Schnee und Netz, was er auch schicket,
Den mein'gen nicht mit seiner Glut durchdringe.

Mein keuscher Vorsatz soll sein Feuer schwächen,
Den Knoten soll Stärk' oder Kunst zerreißen,
Mein heißer Eifer soll den Schnee zerstreuen,

Des Pfeiles Spitze mein Gedanke brechen:
So werd' ich den Gefahren mich entreißen,
Und Amors Brand, Pfeil, Schling' und Frost nicht scheuen.
Hinaus das Feuer, die Schlinge, das Eis und (den) Pfeil Amors, der brennt, bedrängt, abkühlt und verletzt, (eine) solche Flamme ersehnt meine Seele nicht, noch gibt sie sich mit solchem Knoten zufrieden.

Er verzehre, fessele, vereise, töte, bedränge einen anderen Willen, welchen immer er mag; durch Pfeil oder durch Schnee oder Schlinge soll er nicht hoffen, den meinen mit seiner Hitze zu zerstören.

Sein Feuer wird mein keuscher Vorsatz abkühlen, den Knoten werde ich durch Kraft oder Kunstfertigkeit zerreißen, den Schnee wird mein glühender Eifer schmelzen,

den Pfeil wird mein Gedanke stumpf machen: und so werde ich nicht fürchten, an sicherem Orte, Amors Feuer, Schlinge, Pfeil (und) Eis.

Luis Góngora y Argote (1561-1627). Bild von
Diego Velázquez, 1622, Museum of Fine Arts, Boston
LUIS DE GÓNGORA Y ARGOTE CHRISTIAN HENRICH POSTEL
Mientras por competir con tu cabello Weil noch der Sonnen Gold mit allen Strahlen weichet
Mientras por competir con tu cabello
oro bruñido al sol relumbra en vano;
mientras con menosprecio en medio el llano
mira tu blanca frente el lilio bello;

mientras a cada labio, por cogello,
siguen más ojos que al clavel temprano,
y mientras triunfa con desdén lozano
del luciente cristal tu gentil cuello,

goza cuello, cabello, labio y frente,
antes que lo que fue en tu edad dorada
oro, lilio, clavel, cristal luciente,

no sólo en plata o víola troncada
se vuelva, mas tú y ello juntamente
en tierra, en humo, en polvo, en sombra, en nada.
Weil noch der Sonnen Gold mit allen Strahlen weichet
Dem ungemeinen Glantz auf deinem schönen Haar.
Weil noch vor deiner Stirn der Liljen Silber-Schaar
In blasser Furcht und Scham die weißen Segel streichet.

Weil noch das Sähnen nach den Nelcken sich nicht gleichet
Der brünstigen Begier nach deiner Lippen Paar.
Ja weil dem Halse noch des Marmors blancke Wahr
Mit allem Schimmer nicht einmahl das Wasser reichet,

Laß Haare, Halß und Stirn und Mund gebrauchet sein,
Eh' das was in dem Lentz der Jugend war zu ehren
Vor Gold, vor Lilien, vor Nelcken, Marmorstein,

Sich wird in Silber-grau und braune Veilgen kehren.
Ja eh' du selbst dich mit dem Hochmuth dieses Lichts
Verkehrst in Erde, Koht, Staub, Schatten, gar in Nichts.
Während, um mit deinem Haar zu wetteifern, poliertes Gold in der Sonne erfolglos strahlt, während voll Verachtung inmitten des Feldes deine weiße Stirn die schöne Lilie schaut,

während jeder Lippe, sie zu pflücken, mehr Augen folgen als der frühen Nelke und während dein edler Hals mit üppigem Stolz über das leuchtende Kristall triumphiert:

genieße Hals, Haar, Lippe, Stirn, bevor das, was in deinem goldenen Alter Gold, Lilie, Nelke (und) leuchtender Kristall war,

sich nicht nur in Silber oder abgeschnittenes Veilchen verwandelt, sondern du und es gemeinsam in Erde, Rauch, Staub, Schatten, nichts.

Lope Félix de Vega Carpio (1562-1635).
Zugeschrieben Eugenio Caxés. [Quelle]
FELIX LOPE DE VEGA CARPIO EMANUEL GEIBEL
No queda más lustroso y cristalino Nicht ist so glänzend und kristallenrein
No queda más lustroso y cristalino
por altas sierras el arroyo helado
ni está más negro el ébano labrado
ni más azul la flor del verde lino;

más rubio el oro que de Oriente vino
ni más puro, lascivo y regalado
espira olor el ámbar estimado
ni está en la concha el carmesí más fino,

que frente, cejas, ojos y cabellos
aliento y boca de mi ninfa bella,
angélica figura en vista humana;

que puesto que ella se parece a ellos
vivos estan allí, muertos sin ella,
cristal, ébano, lino, oro, ámbar, grana.
Nicht ist so glänzend und kristallenrein
Der Bach, der im Gebirg gefror zu Eise,
Nicht hat das Ebenholz so schwarze Weise,
Nicht ist so blau die Blüt am grünen Lein.

Nicht gibt des Ostens Gold so klaren Schein,
Noch ist der Duft, der wollustvoll und leise
Vom echten Ambra steigt, so wert im Preise,
Noch ist der Schnecke Purpur also fein,

Als Stirne, Brauen, Augen, Lockenringe,
Odem und Mund des Engels den ich liebe,
Des schönsten, der sich senkt' in Fleisch und Blut.

Ein reizend Abbild scheint er jener Dinge,
Nur daß hier lebt, was ewig tot sonst bliebe,
Eis, Schwarzholz, Lein, Gold, Ambra, Purpurglut.
Nicht glänzender und kristallklarer zeigt sich auf hohen Bergen der gefrorene Bach, nicht schwärzer ist das bearbeitete Ebenholz, nicht blauer die Blüte des grünen Leins,

(nicht) goldener das Gold, das vom Morgenland kam, nicht reiner, wollustvoller und köstlicher der Duft, den die kostbare Ambra aushaucht, nicht feiner ist das Karminrot im Schneckengehäuse

als Stirn, Brauen, Augen und Haare, Atem und Mund meiner schönen Nymphe, engelgleiche Gestalt in menschlichem Anblick;

und weil sie ihnen gleicht, sind sie lebendig, (diese Dinge), tot ohne sie: Kristall, Ebenholz, Lein, Gold, Ambra, Scharlachrot.

Francisco Gómez de Quevedo y Villegas (1580-1645).
Zugeschrieben Juan van der Hamen. [Quelle]
FRANCISCO DE QUEVEDO WILHELM MUSTER
OCTAVAS GLOSANDO OKTAVEN ALS GLOSSE
que todo tiene fin, si no es mi pena. …denn alles hat ein Ende – nicht mein Leid.
Yo vi todas las galas del verano
y engastadas las perlas del aurora
en el oro del sol sobre este llano;
vi de esmeralda el campo; mas agora
la blanca nieve del invierno cano
de todo le desnuda y le desdora.
Todo lo acaba el tiempo y lo enajena:
que todo tiene fin, si no es mi pena.

Yo vi presa del yelo la corriente
que, en líquidos cristales, derretida,
despide alegre la parlera fuente;
de nubes pardas y de horror vestida,
vi la cara del sol resplandeciente;
la mar, que agora temo embravecida,
vi mansa en otro tiempo, vi serena:
que todo tiene fin, si no es mi pena.

De verdes hojas, lenguas vi que hacía,
por murmurar un rato, el manso viento,
de mi Tirsis la cruel tiranía;
mas el invierno enmudeció su acento.
De lazos de oro el cielo ciñó el día;
vino tras él con tardo movimiento
la muda noche, de tinieblas llena:
que todo tiene fin, si no es mi pena.
Ich sah den Sommer voller Schönheit stehen;
der Morgenröte Perlen eingefaßt
mit Sonnengold in allem Prunk aufgehen;
smaragden lag das weite Land; der Glast
ist fort, des Winters weiße Flocken wehen,
der Sommer ist entblößt, das Gold verblaßt,
und alles endet und enteignet Zeit:
denn alles hat ein Ende - nicht mein Leid.

Vom starren Eis gefangen sah ich Wellen,
die sonst in flüssigen Kristallen schossen,
fröhlich entsandt von den geschwätzigen Quellen;
wie dunkle Wolken, Grauen auch, umflossen
der Sonne Angesicht und ihre Helle.
Jetzt tobt das Meer; Angst ist mir aufgeschossen,
sah ich es friedlich doch zu andrer Zeit:
denn alles hat ein Ende - nicht mein Leid.

Ich sah: der Wind verwandelte in Zungen
die Blätter, die so grünen Flammen glichen,
er flüsterte von Tirsis, die bezwungen
durch ihre Härte mich, die nie gewichen.
Der Winter ließ des Windes Laut verstummen.
Der Tag war golden eingesäumt verstrichen,
die Nacht kam zögernd auf, die dunkle Zeit:
denn alles hat ein Ende - nicht mein Leid.
Ich sah alle Zierden des Sommers und eingefaßt die Perlen der Morgenröte im Gold der Sonne über dieser Ebene; ich sah aus Smaragd das Feld; doch nun: der weiße Schnee des silberhaarigen Winters entblößt es und nimmt ihm das Gold. Alles beendet die Zeit und entfremdet sie: denn alles hat ein Ende, nur nicht mein Leid.

Ich sah gefangen vom Eis den Strom, den, (sonst) in flüssigen Kristallen, geschmolzen, der geschwätzige Quell fröhlich entläßt; von dunklen Wolken und von Schrecken verhüllt, sah ich das Angesicht der leuchtenden Sonne; das Meer, das – in Wut geraten – ich nun fürchte, sah ich sanft zu anderer Zeit, sah ich heiter: denn alles hat ein Ende, nur nicht mein Leid.

Aus grünen Blättern, sah ich, machte Zungen der sanfte Wind, um eine Weile zu murmeln von der Herrschaft meiner grausamen Tirsis; doch der Winter ließ seinen Ton verstummen. Mit Schlingen aus Gold gürtete der Himmel den Tag, es kam nach ihm mit träger Bewegung die stumme Nacht, erfüllt von Dunkel: denn alles hat ein Ende, nur nicht mein Leid.

Pedro Calderón de la Barca (1600-1681).
Ausschnitt aus der Banknote über 25 Peseten,
Spanien, 1928 [Quelle]
CALDERON DE LA BARCA JOHANN DIEDRICH GRIES
que el vivir sólo es soñar Nur ein Traum das ganze Leben
[...] que el vivir sólo es soñar;
y la experiencia me enseña
que el hombre que vive sueña
lo que es, hasta despertar.
Sueña el rey que es rey, y vive
con este engaño mandando,
disponiendo y gobernando;
y este aplauso que recibe
prestado, en el viento escribe;
y en cenizas le convierte
la muerte (¡desdicha fuerte!);
¿que hay quien intente reinar,
viendo que ha de despertar
en el sueño de la muerte?
Sueña el rico en su riqueza,
que más cuidado le ofrece;
sueña el pobre que padece
su miseria y su pobreza;

sueña el que a medrar empieza,
sueña el que afana y pretende,
sueña el que agravia y ofende,
y en el mundo, en conclusión,
todos sueñan lo que son,
aunque ninguno lo entiende.
Yo sueño que estoy aqui
destas prisiones cargado,
y soñé que en otro estado
más lisonjero me vi.
¿Qué es la vida? Un frenesí.
¿Qué es la vida? Una ilusión,
una sombra, una ficción,
y el mayor bien es pequeño:
que toda la vida es sueño,
y los sueños, sueños son.
Nur ein Traum das ganze Leben;
Und der Mensch (das seh' ich nun)
Träumt sein ganzes Sein und Tun,
Bis zuletzt die Träum' entschweben.
König sei er, träumt der König;
Und, in diesen Wahn versenkt,
Herrscht, gebietet er und lenkt.
Alles ist ihm untertänig;
Doch es bleibt davon ihm wenig,
Denn sein Glück verkehrt der Tod
Schnell in Staub; (o bittre Not!)
Wen kann Herrschaft lüstern machen,
Der da weiß, daß ihm Erwachen
In des Todes Traume droht?
Auch der Reiche träumt; ihm zeigen
Schätze sich, doch ohne Frieden.
Auch der Arme träumt hienieden,
Er sei elend und leibeigen.

Träumet, wer beginnt zu steigen;
Träumet, wer da sorgt und rennt;
Träumet, wer von Haß entbrennt;
Kurz, auf diesem Erdenballe
Träumen, was sie leben, Alle,
Ob es Keiner gleich erkennt.
So auch träumt mir jetzt, ich sei
Hier gefangen und gebunden;
Und einst träumte mir von Stunden,
Da ich glücklich war und frei.
Was ist Leben? Raserei!
Was ist Leben? Hohler Schaum,
Ein Gedicht, ein Schatten kaum!
Wenig kann das Glück uns geben;
Denn ein Traum ist alles Leben,
Und die Träume selbst ein Traum.
… Das Leben ist nur Träumen; und die Erfahrung lehrt mich, daß der Mensch, der lebt, träumt, was er ist, bis er aufwacht. Es träumt der König, er sei König, und lebt mit diesem Trug befehlend, entscheidend und regierend; und dieser Beifall, den er erhält, geliehen (nur), schreibt er in den Wind; und in Asche verwandelt ihn der Tod – furchtbares Unglück! -: Wen noch gibt es, der herrschen will, sehend, daß er erwachen muß im Schlafe des Todes? Es träumt der Reiche von seinem Reichtum, der ihm mehr Sorgen beschert; es träumt der Arme, der geduldig sein Elend und seine Armut trägt;

es träumt der, der zu wachsen beginnt; es träumt der, der sich müht und strebt, es träumt der, der beschimpft und beleidigt, und in der Welt schließlich träumen alle das, was sie sind, obwohl keiner sich dessen bewußt ist. Ich träume, daß ich hier in diesem Gefängnis eingekerkert bin, ich träumte, daß in anderem Zustand, viel schmeichelhafter ich mich sah. Was ist das Leben? Eine Raserei. Was ist das Leben? Eine Illusion, ein Schatten, eine Einbildung, und das größte Gut ist klein; das ganze Leben ist Traum, und die Träume sind Träume.

Texte und Übersetzungen stammen aus: “Poesie der Welt. Spanien”, (Hrgr Barbara Mitterer), Edition Stichnote im Propyläen Verlag Berlin, 1985. ISBN 3 549 05306 1

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